LICHTSPIELE

Mit der Lichtinszenierung dreier Münchner Kinos haben Barbara Adelmann und Anne Batisweiler den Auftritt des Publikums zwischen Ankunft und Filmbeginn zum Ereignis gemacht.

Im Kino löst sich der Raum in Schwarz auf. Er muß sich auflösen, damit das Publikum hinüberwechseln kann in das Geschehen auf der Leinwand, aus der physischen Realität in die Leinwand hinein. Die Schwerkraft der körperlichen Präsenz will überwunden sein. Während des Films darf kein Licht von der Leinwand in den Zuschauerraum reflektieren, jedes Rascheln, ein leises Stuhlwippen droht den Betrachter herauszureißen aus der Sphäre der Illusion.

Die aufmerksamen Minuten des Eintretens, der Platzsuche – die bereits auf die bestmögliche Blickbahn zur Leinwand konzentriert ist – enden mit der bequemen Sitzhaltung, die es erlaubt, zwischen den Köpfen der vorderen Zuschauer hindurchzublicken. Erst beim Abspann, wenn die Lichter angehen und Musik den Besucher verabschiedet, wie sonntags die Orgel den Kirchgänger, tritt der Raum wieder ins Bewusstsein. Häufig wirkt er aufgebraucht, im Nachklang der Bilder jäh, grell und unwahrer als der Film. In der Herde der Mitbesucher hinausgezogen, geschoben zu werden, auf einen mit Kartons und Mülltonnen bestandenen Hof, macht noch deutlicher, wie wenig der Zuschauerraum zum Verweilen bestimmt ist, wie sehr er Brücke, Übergang, Vermittler, Medium ist und wie kurzlebig darin eigene Aktivität oder Kommunikation sind.

Es erstaunt nicht, dass Massenbetriebe wie die Multiplex-Häuser der Flebbe-Filmtheater mit einer Million Besucher im Jahr den kleineren Kinos gefährlich werden. Im Kinosupermarkt zählen, anders als im Theater oder im Konzertsaal, überwiegend das vielfältige Angebot und vor allem die hervorragende Technik. Die Säle des Maxx sind nach technischem Diktat vereinheitlicht. Im riesigen Foyer, unter Plastikpalmen, treffen sich coole Teenies bei kühlen Getränken an den Bars.

Durch ihre Umbauten versuchen die kleineren Kinos in Verbindung mit verbesserter Technik räumlich auf Atmosphäre und Individualität zu setzen. Ein spezielleres Filmprogramm wendet sich gezielt an ein bestimmtes Publikum.

Die Entwürfe der Architektinnen Adelmann und Batisweiler machen den Kinoraum zum Bühnenbild. Die Lichtgestaltung wird zum Szenario, um die Spannung bis zum Filmbeginn zu steigern und die kurze Zeitspanne der Raumwahrnehmung zum Erlebnis zu machen. Licht entfaltet sich als magischer Zauber, spielerischer Lichtwechsel und als schmückende Rauminszenierung. Overstyled? Sicher läuft ein schlechter Film Gefahr, dass ihm die Schau gestohlen wird.

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IM ROYALKINO führt eine Treppe hinunter zum Königssaal und zum Drachenasaal. Auf hellem Sonnengelb tauchen Drachen- und Königssymbole in Form von hinterleuchteten Materialcollagen auf.

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DER KÖNIGSSAAL – mit 85 Plätzen eher klein und intim – ist, wie könnte es anders sein, blau. Verkupferte Kronen vor den pflaumenblauen Wänden werfen dramatische Schatten, wenn sie von den trompetenförmigen Leuchten angestrahlt werden. Einbaustrahler mit blauem Glasrand der blaumetallic lackierten Lochblechdecke bringen die royalblauen Samtsessel zum Leuchten. Orangefarbene Blinklichter am samtverkleideten Bühnenkasten flackern kurz vor Filmbeginn auf. Erinnerungen an Zirkus, Märchenkönig, Jahrmarktwunder sind beabsichtigt.

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DEN DRACHENSAAL mit 202 Plätzen gliedern massive Stützen und Deckenunterzüge. Aus der Vorstellung eines riesigen Drachens entstand das Gestaltungskonzept: dunkelgrüne Sessel, smaragdgrüner Boden, eine grün glitzernde, wie Schuppen gezackte Metalldecke, schwarze Wände mit Schuppen aus Streckmetallgitter, giftgrüne Träger und schillernde Drachenzacken auf seetanggrünem Vorhang. Das Licht verstärkt die Stimmung. Kleine Halbkugeln aus Lochblech teilen das Deckenlicht in viele kleine Punkte. Die Reflektionsmuster auf den Sesseln wirken wie Luftblasen unter Wasser. Der asymmetrisch angestrahlte Bühnenvorhang suggeriert einen durch Algen ins Wasser fallenden Lichtstrahl. Vor Filmbeginn funkeln grüne Tubelights hinter den Wandgittern, ähnlich einem erlöschenden Feuerwerk. Dicke Stützen verengen den Weg in die Säle. Eine neue mattsilberne Aluverkleidung mit gelb fluoreszierenden Scheiben macht sie zu lichten Wächtern.

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IM ATELIER-KINO zieht der gläserne Vorführraum wegen seines blauen Lichts den Blick an. Während die Besucher auf Einlaß warten, können sie beobachten, wie der Vorführer den Film einlegt. Das sphärische Blau bleibt hinter dem Glas gefangen wie Gas in einem Kolben, in das die technischen Geräte eingetaucht sind.

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DER KLEINE SAAL mit 84 Plätzen wird von vorn betreten. Wandelemente aus Sperrholz neigen sich wie Palmwedel in den Raum. Während sich der gedämpfte Saal langsam füllt, werden die Elemente mit elliptischen Löchern in rhythmischen Intervallen von engstrahlenden Lichtern wechselseitig beleuchtet. Lange grüne Lichtschatten wogen an den Wänden, wenn das Licht auf die grüne Plexiglasscheibe in der Mitte der „Bäume“ trifft. Weiches Deckenlicht fällt durch Lochblechelemente auf die farngrünen Samtsitze und zeichnet ihre Umrisse nach. Ein Drehplan für das Licht; Das Aluminiumgitter der Bühne, frontal mit Niedervolt beleuchtet, wird plötzlich durchsichtig wie ein Schleier. Das Licht erlischt, der Computer schaltet die Strahler hinter dem Gitter ein. Die Bildwand wird sichtbar. Langsam öffnet sich der Vorhang von der Mitte aus.

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DIE GABRIEL-LICHTSPIELE geben sich nobel. Die Weite des nächtlichen Himmels könnte eine Assoziation gewesen sein für den Umbau des ältesten noch bestehenden Münchner Kinos. Fußboden, Wandbespannung und Türen des großen Saals mit 208 Plätzen sind in unterschiedlichen Blautönen gestaltet. Die fächerförmige tiefblaue Wand setzt die bereits vorhandene Wolkenstruktur der Decke fort. In den Nischen verbirgt sich blaue Indirektbeleuchtung.
Wände und Decke werden zur Lichthülle. Die quadratischen Metallplättchen auf dem von oben angestrahlten Samtvorhang blitzen silbern auf.
Der betont zurückhaltend ausgestattete Raum wirkt großzügig, seriös, sogar festlich. Seine Gestaltung knüpft an die Tradition des Kinos als Lichttheater an.

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IM KLEINEN KINOSAAL mit 63 Plätzen bilden die leuchtend sonnengelben Sitze einen kräftigen Kontrast zu den schwarzen Wänden. Den Sternenhimmel der Einbaustrahler an der Decke hätten die Architektinnen lieber versteckt, um das Licht geheimnisvoller zu gestalten, doch auch so wirkt der kurze breite Saal edel, fast wie das Innere einer Schmuckvitrine.

Architektur und Lichtplanung
Barbara Adelmann und Anne Batisweiler mit Linie 8

 

Atelier-Kino
Bauherr: City Filmtheater GmbH
Umbau: Juli bis November 1992
Standort: München, Sonnenstraße 12

Royalkino
Bauherr: Union Filmtheater GmbH
Umbau: April bis August 1993
Standort: München, Goetheplatz 2

Gabriel-Lichtspiele
Bauherr: Gabriel Lichtspiele GmbH
Umbau: Juli bis September 1994
Standort: München, Dachauer Str. 16

Beitrag in Leonardo 02/95
Autor: Cornelia Fröschl, Dipl.-Ing. Arch.
Verlag: WEKA Baufachverlage GmbH, Verlag für Architektur
www.weka.de