Blickpunkt Film 04/2014

Die architektonische Gestaltung von Kinos

Mehr als ein Skelett aus Stahlbeton

15_02_25_Cineplex-Memmingen-3x366 Das Cineplex in Memmingen, Im Dezember 2007 eröffnet, erstrahlt in modernem Glanz

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München – Die Zukunft beginnt innen: Um Kino für Besucher noch stärker zu einem einzigartigen Erlebnisort werden zu lassen, kommt einer attraktiven und individuellen Raumgestaltung eine wachsende Bedeutung zu. Steigende Strom- und Heizkosten rücken zu dem energieeffiziente Maßnahmen in den Fokus vieler Betreiber.

Gut 1600 Kinos gibt es derzeit in Deutschland – eine Zahl, die seit Jahren leicht rückläufig ist. Dennoch entstehen regelmäßig auch neue Filmtheater. Form und Fassadengestaltung sowie ihre Höhe folgen dabei nicht nur den Vorstellungen des Bauherrn und seines Architekten, sondern sind darüber hinaus einer Reihe von Vorschriften unterworfen. „ Gerade, wenn man ein Kino in der Innenstadt errichten will, muss man sich den dort vorhandenen Baustilen anpassen. Da gibt es ganz konkrete Vorgaben vom Bauamt, die in den Architekturplänen für die Außenstruktur zu berücksichtigen sind. Das beginnt schon bei der Verwendung der Materialien und ihrer Farben“, erzählt Christian Pelzer von der Deutschen Theaterbau GmbH im sächsischen Thalheim, die seit 1949 Kinos gestaltet. Als vorherrschendes Konstruktionsprinzip haben sich eine Skelettbauweise aus Stahlbeton durchgesetzt: „Aufgrund der Größe der Räume sind überbreite Spanndecken notwendig, aus einem Material, das große Stützweiten überbrücken kann. Der Rahmen besteht aus Stahlbeton, bei den Trennwänden gibt es zwei Möglichkeiten: entweder werden sie ebenfalls in Beton gebaut oder aber in einer Leichtbauweise, bei der nur die tragenden Säulen aus Beton sind, während der Rest mit speziellen Trockenbaulatten verkleidet wird, die nicht so viel Gewicht auftagen. Der Skelettbau sorgt in jedem Fall für ein Höchstmasß an Stabilität“, führt Pelzner aus.

„Die Innengestaltung ist künftig die maßgebliche Aufgabe“

An der Konstruktion eines Kinogebäudes müsse sich auf absehbare Zeit nichts Grundlegendes ändern, konstatiert die Münchner Architektin und Designerin Anne Batisweiler. Ohnehin bleibe die Innengestaltung eines Filmtheaters künftig die maßgebliche Aufgabe: „Man muss sich als Betreiber überlegen, was das Kino von anderen Medienangeboten wie Fernsehen, Internet und digitalen Endgeräten, wie beispielsweise Smartphones, unterscheidet, und welchen exklusiven Mehrwert es liefern kann.“ Neben einer hochwertigen Projektion und Tontechnik sei auch ein besonderes Ambiente gefragt. Eine Sichtweise, die Babette Lischka von der Huber Lischka Architekten GmbH in München teilt. Die Attraktivität eines Kinos beginnt für sie bereits beim Foyer: „Vor allem in den Multiplexen ist es oft noch so, dass es tolle Säle mit hervorragender technischer Ausstattung gibt, aber die Foyers eher wie Bahnhofshallen wirken, sehr leer und schlicht und ohne individuellen Look. Gerade auf ein älteres Publikum macht dies häufig den Eindruck einer Massenabfertigung.“
Stattdessen sollte Kino als Erlebnisort seinen Gästen gleich beim Eintreten einen gemütlichen Abend versprechen, mit einem Ticket- und Concessionsverkauf, der so angenem wie möglich abläuft. Thekenlängen von 15 Metern oder mehr sind heute keine Seltenheit mehr, um einen schnelleren Service bieten zu können und die Bildung von Schlangen weitgehend zu vermeiden.

15_02_25_Universum-Kino-Palast Foto: Universum Kino Palast

Allgemein können Foyers in gastronomischer Hinsicht aber noch mehr Akzente setzen, findet Lischka. „Nur wenige Kinobetreiber haben es hingekriegt, dass die Gäste regelmäßig auch in ihre Bar oder ihr Restaurant nebenan gehen. Alternativ könnte an den Verkaufstheken ein breiteres Angebot erhältlich sein, sodass man sich mit einem Kaffee oder einem Glas Wein an eine schön gestaltete Bar im Foyer setzen kann.“

Kinoerlebnis mit technischen Möglichkeiten verstärken

Thomas Kreiter, der in München und Dietmannsried im Allgäu das ‚Architektur und Ingenieurbüro Kreiter leitet, hat die zwei Cineplex-Filmtheater im Memmingen und Penzing mit konzipiert. Da sie auch sehr stark ein Familienpublikum anlocken sollen, integrierte er in beiden Foyers Kinderspielplätze, die lediglich durch Glaswände abgetrennt sind. „Generell sollte alles sehr hell und lichtdurchflutet sein und dadurch ansprechend auf die Gäste wirken. Auch den Kassenbereich haben wir nicht vom Foyer getrennt, weil es so übersichtlicher ist“, sagt Kreiter, der innen wie außen kompakte, funktionale Formen bevorzugt. Für Anne Batisweiler stellt sich als weitere zentrale Frage, welche technischen Möglichkeiten es gibt, um das Kinoerlebnis noch zu verstärken, sowohl in den Sälen als auch in den Foyers. Ihrer Meinung nach kommt dabei dem Licht eine wichtige Rolle zu. Sie kritisiert in diesem Zusammenhang kalte, tageslichtähnliche Beleuchtung, die einer angenehmen Atmosphäre abträglich sei.“ Das ist furchtbar für die Augen. Gerade in den Abendstunden ist dieses Licht zu grell und zu blendend. Besser ist Beleuchtung in warmen Tönen oder gleich farbiges Licht. Dies könnte auch im Foyer mit Hinterleuchtung und Projektikonen jeglicher Art kombiniert werden, künftig sogar mit holografischen Elementen. Da gibt es spannende Entwicklungen in der Beleuchtungstechnik, die ganz neue Szenerien möglich machen werden und den Gästen so den Eindruck verschaffen, dass sie sich in einer anderen Welt befinden. Sicher nicht alles in unmittelbarer Zukunft, aber in den nächsten zehn oder 20 Jahren.“

Der Trend geht zum gehobenen Kino mit viel Beinfreiheit

In den Sälen geht der Trend zum gehobenen Kino, mit komfortablen Sitzen, viel Beinfreiheit und hochwertiger Ausstattung. Um allen Zuschauern eine optimale Sicht zu garantieren, sollte die Bestuhlung wie in einem Amphitheater auf Stufen und nicht ebenerdig installiert werden. „Wir bieten dafür ein Rampensystem an, das erst nach der Rohbauphase eingebracht wird. Dabei handelt es sich um eine Stahlkonstruktion, die mit Spezialplatten belegt wird. Der Vorteil ist, dass man sie jederzeit wieder ausbauen kann, wenn das Kino mal nicht mehr läuft, und sie Räume problemlos anderweitig genutzt werden können“ erläutert Christian Pelzer. „Früher, als dafür noch eine Betonbauweise üblich war, musste man in so einem Fall das ganze Haus abreißen.“

Digitaltechnik schafft mehr Platz

Immer aufwendigere Soundsysteme erfordern zu dem eine großzügige Dimensionierung der Säle. Das neue Dolby-Klangformat Atmos beispielsweise operiert in Wänden und auch Decken mit einer deutlich höheren Anzahl von Lautsprechern al bisher. „ das bringt einen Reisenaufwand bei der Verkabelung mit sicht Je höher die Räume , desto besser. Auch die boxen an sich haben Auswirkungen auf die Planung . Sie machen sich vor allem bei der Lichtgestaltung bemerkbar, weil die Position der Lautsprecher und der Lampen aufeinander abstimmen müssen“, erläutert Andreas Herrmann vom Architekturbüro Gruppe Bau Art Mülheim an der Ruhr. Eine Nachrüstung gestaltet sich noch um einiges komplizierter. Um die Boxen ordnungsgemäß einbauen zu können, muss sie Decke nach unten verlagert werden – ein Eingriff, der laut Pelzer problematisch sein kann: „In den meisten Kinosälen verläuft der Projektionsstrahl ganz knapp unter der Decke. Die Lautsprecher dürfen aber natürlich nicht in diesen Strahl hineinkommen. Also ist in der Regel eine bestimmte Tiefe des Raums notwendig, weil man auch nicht überall als Kompromiss den Projektor tiefer setzen kann.“

15_02_25_Gloria-Palast-München-1x1024An Eleganz kaum zu übertreffen: der Gloria Filmpalast in München

Platz einsparen lässt sich hingegen beim Vorführraum. Da die klobige Analogtechnik fast vollständig der Vergangenheit angehört, haben sie heute meist nur noch ein Drittel ihrer früherren Größe. Im Gegnzug werden entweder sie Säle vergrößert oder zusätzliche Abstellräume geschaffen. Auch die ersten Säle ohne Vorführraum werden bereits konstruiert. Da verschwindet der Projektor in einer Hohldecke, die hinter dem Saal verläuft. In China werden inzwischen so gut wie keine Vorführräume mehr gebaut. Die Projektoren hängen dort entweder im Saal oder in einer Zwischdeckenebene dahinter“, weiß Herrmann. Ein Einbau direkt in den Saal bedinge allerdings bestimmte schallakustische Vorraussetzungen, ergänzt Pelzer, der mit seiner Firma in letzter Zeit viele Kinos im Bühnenbereich umrüstet, um sie vielfältiger nutzbar zu machen. „ so legen wir unter anderem Multimediaanschlüsse, damit jenseits von Filmvorstellungen Podiumsdiskussionen oder musikalische Angebote möglich sind.“

Energieeffizienz spielt eine große Rolle

Die Energiewende sowie die allgemeine Verknappung der Ressourcen rückt auch das Thema Energieeffizienz zunehmend in den Fokus von Kinobetreibern. Besonders die Beleuchtung sowie Heizung und Belüftung sind beträchtliche Kostenfaktoren. Darüber hinaus hat auch die Digitaltechnik zu einem gestiegenen Energiebedarf geführt, der im Schnitt 20 Prozent höher ausfällt als bei analogen Gerätschaften. „Es ist einfach mehr Licht notwendig, um die Pixel zu beleuchten“, erklärt Pelzer. Bei 3D-Filmen steige der Stromverbrauch zusätzlich, weil für ihre Projektion noch mehr Lampenleistung erforderlich ist. Lischka empfiehlt daher den Einsatz hochreflektierender Leinwände: „Dann kann man an der Lichtquelle sparen und kommt mit einem kleineren Kolben im Projektor aus.“ Bei der Beleuchtung im Decken-, Wand- und Fußbodenbereich des Kinos befinden sich Energiesparlampen als Nachfolger der Glühbirne schon wieder auf dem Rückzug. Der Trend geht hier zur LED-Technik, die im Verbrauch noch genügsamer ist und eine flexiblere Lichtarchitektur im Kinosaal ermöglicht. „Früher haben wir ungern Licht in die Decken gesetzt, weil es einer extrem hohen Leiter bedarf, um das Leuchtmittel beziehungsweise die Birne zu wechseln. Also mussten wir mit Wandleuchten so viel Licht in den Saal bringen, dass der Gast problemlos seinen Sitzplatz findet. Doch LED-Elemente haben eine deutlich höhere Lebensdauer, wodurch wir diesen Gedanken stärker vernachlässigen können. Also bringen wir das Grundlicht in die Decke ein und bedecken die Wände nur noch mit einem rein gestalterischen Licht beim Lichtdesign.“

Ob LED-Leuchten tatsächlich länger halten, müsse sich jedoch erst noch herausstellen, betont Pelzer. Da sie erst seit kurzem auf dem Markt sind, liegen bisher kaum Erfahrungswerte vor. Zudem seien sie in der Anschaffung je nach Lichtleistung drei- bis sechsmal teurer als herkömmliche Leuchtmittel.

Geothermie macht nur bei erstklassiger Dämmung Sinn

Ratsam sind des Weiteren moderne Lüftungsanlagen mit effektiver Wärmerückgewinnung. „Die Abwärme, die sowohl durch die Menschen im Saal als auch den Projektor entsteht, kann durch einen Kreuzstromwärmetauscher in direkte Energie umgesetzt werden, die ich dann beispielsweise zu Kühlungszwecken nutzen kann“, erläutert Herrmann. Auch eine Dämmung der Gebäudehülle, die Wärmeverluste minimiert, ist häufig eine sinnvolle Maßnahme, um Energie einzusparen. Bei bereits existierenden Gebäuden kann sie im Zuge einer Fassade- und Dachrenovierung vorgenommen werde, aber auch eine Innendämmung ist möglich. Als Materialien empfiehlt sich Mineralwolle oder Polysterolhartschaum. Ökologisch abbaubare Dämmstoffe führten hingegen oftmals nicht zur gewünschten Dämmwirkung, meint Kreiter. Der Einsatz erneuerbarer Energien wie Geothermie (Erdwärme) und Solarenergie ist eine weitere Option. So kann mittels einer Wärmepumpe die Heizungsanlage auf Erdwärme umgestellt werden. Allerdings ist Geothermie nicht überall in Deutschland nutzbar. Unerlässlich sind grundwasserführende Schichten nahe der Eroberfläche. Auch die Frage des Wasserrechte gilt es vorher am jeweiligen Ort zu klären. „Auf Geothermie zu setzten, macht außerdem nur Sinn, wenn das Gebäude über eine erstklassige Dämmung verfügt. Sonst ist sie nicht effektiv genug“, sagt Lischka. Auch eine Fotovoltaikanlage mit Solarzellen ist denkbar, idealer weise in Kombination mit einem Stromspeicher. Seit Mai 2013 gibt es dafür ein Förderprogramm der KfW-Bank. „Der Vorteil ist , dass ich auch dann Strom ziehen kann, wenn keine Sonne scheint – so lange, bis der Speicher leer ist“, so Kreiter. Ratsam ist in jedem Fall das Konsultieren eines Enrgieberaters. In Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten des Betreibers, den lokalen Gegebenheiten und den Vorschriften erstellt er ein energetisches Gesamtkonzept.

 

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Beitrag in BLICKPUNKT:FILM – 04/2014
Autor: Alexander Kolbe
Verlag: Busch Entertainment Media GmbH
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