Gut eingestimmt

Das Kino-Foyer und das Kino-Café als Mittel zum Zweck

Eine Leinwand, ein Projektor und ein guter Film – im Konkurrenzkampf um gefüllte Kinosäle müssen Planer und Betreiber mehr gestalterische Fantasie entwickeln. Denn wahrer Filmgenuß beginnt bereits beim Kartenkauf. Die Designerin Anne Batisweiler erläutert anhand einiger Beispiele, wie sich Kino-Foyers zu Stimmungsmachern mausern.

Dieses Jahr feiert das Kino seinen 100sten Geburtstag und als Freizeitgestaltung steht ein Kinobesuch beim Publikum wieder ganz oben in der Beliebtheitsskala. Hier stimmt es noch, das Preisleistungsverhältnis. Es macht einfach Spaß, sich mit Freunden im Kino zu treffen und eventuell vor dem Film oder danach bei einem kleinen Essen oder einem Drink zusammenzusitzen.

Und damit sind wir auch schon beim Thema. Das Kinogeschäft boomt seit einigen Jahren, die Umsätze sind in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Zum einen liegt der Grund dafür bei dem großen Angebot an amerikanischen, aber auch deutschen, europäischen, sogar asiatischen oder australischen Produktionen. Zum anderen tragen zu dieser Entwicklung die stetigen technischen Verbesserungen in der Filmherstellung bei, wie Special-Effects oder Computer-Animationen. Auch die gekonnte Vermarktung von Spieltieren, Filmbüchern und T-Shirts, aber auch die Kinowerbung im Fernsehen oder bei Mac Donalds hebt die Popularität des Kinos.

Der technische und kundenorientierte Anspruch des Kinos ist deutlicher gestiegen: Feinste Tontechnik wie THX-Sound-System, Dolby Stereo Digital Sound und ähnliches wird als ebenso wichtig eingestuft, wie ergonomische Sessel in neuem Design. Klima- und Lüftungstechnik sorgen heute für Kinosäle ohne Zugluft und muffligen Geruch. Möglichst große und gut sichtbare Projektionswände werden wieder Standard und in ansprechenden Foyers soll der Gast mit einem immer größeren Angebot an Speisen und Getränken verwöhnt werden. Es wird neu- und umgebaut wie kaum zuvor.

Insbesondere die Multiplex-Kinos, die in allen Großstädten wie Pilze aus dem Boden schießen, haben zu dieser Entwicklung wesentlich beigetragen. Ihr Erfolgskonzept besteht darin, dass sie neben einem großen Angebot verschiedenster Filmen, eine räumliche und konzeptionelle Kombination von Kino und Gastronomie bieten. Die Besucher treffen sich im Kino-Foyer, Kino-Café oder sogar Kino-Restaurant, kaufen dort die Eintrittskarte und brauchen nicht mehr das Haus verlassen (bis zum Einlass beziehungsweise bis zum Nachhauseweg). Weite Wege zur nächsten Bar oder Kneipe sind nicht mehr nötig. Der Kinogänger wird zum umworbenen Gast: Er muss keine wertvolle Minute seiner Freizeit verschenken, es wird ihm so angenehm und bequem wie möglich gemacht. Kino hat demnach nicht nur einen Freizeitwert, sondern auch einen kulturellen, einen gesellschaftlich-sozialen Wert – und dies in Verbindung mit Gastronomie erst recht. Was aber haben die Kinobesitzer davon? Nun, der erweiterte Serviceaspekt wirkt durchaus als Publikumsmagnet. Zudem kann Bewirtung als zusätzliche Verdienstquelle gelten: Mit Getränken, Snacks und insbesondere Popkorn in allen Variationen, bis hin zu kompletten Essen, lässt sich, neben den Einnahmen der Kinokarte, zusätzlich Gewinn erzielen. Wenn sich noch die Gelegenheit bietet, noch einen Biergarten anzugliedern, wie zum Beispiel beim Kino-Café „Mephisto“ in Ulm, dann kann der Betreiber sogar Umsatzeinbußen auffangen, denn bei schönen Wetter lässt erfahrungsgemäß die Kinobesucherfrequenz nach. Der Kinobesitzer ist als gut beraten, wenn er die Möglichkeiten ausschöpft, die ihm eine angegliederte Gastronomie bietet.

Die Gestaltung von Kino-Foyers oder Kino-Cafés ist demnach ein wichtiger Bestandteil der Werbung um die Gunst des Publikums. Und diese Gunst gilt es bereits beim Kartenverkauf zu gewinnen. Sobald der Besucher das Foyer betritt, sollte er eine außergewöhnliche Atmosphäre verspüren – und nicht erst wenn es auf der Leinwand flimmert. „Erlebnisgastronomie“ oder „Erlebnisarchitektur“ lauten die Schlagworte. Wie diese Foyererlebnisse gestaltet werden können, sollen einige Beispiele erläutern.

KRA-Atelier-Kino_0021. Die Technik des Kinos, der Projektorraum, steht im Foyer des Atelier-Kinos in München im Mittelpunkt.

KRA-Mephisto2. Dämonisch anmutende Farben sollen dem „Mephisto“ Kino-Café einem Hauch von „Höllenatmosphäre“ geben.

Das Atelier-Kino-Foyer in München

„Aus Eins mach Zwei“- lautete die Aufgabenstellung. Denn bisher wurde von einem Nebenraum aus mit Hilfe eines riesigen Spiegels den Film auf die Leinwand eines bestehenden Atelier-Kinosaals „rückprojiziert“. Dieses „Verfahren“ verbrauchte zum einen eine Menge Platz, zum anderen war die Bildqualität schlechter als bei der sonst üblichen Frontprojektion. Durch die Eingliederung des Projektorraums ins Foyer, konnte Platz für einen zweiten Kinosaal – das Atelier 2 – geschaffen werden. Schon von außen ist er nun zu sehen, der blaue Lichtschein des Bildwerferraumes. Hier sollte Kinotechnik einmal nicht versteckt, sondern vielmehr ins rechte Lichte gerückt werden. Hinter der Kassen- und Verkaufstheke steht nun für jedermann sichtbar die Technik des Kinos. „So sieht das also aus, wenn der Film abgespielt wird, den wir im Kinosaal zu sehen bekommen…“, freut sich der Cineast. Während er an der Bar oder am Kassenschalter auf Einlass wartet, kann er dem Filmvorführer beim Einlegen der Rollen zusehen. Bereits das Foyer soll mit seinen Material- und Farbkontrasten den Besucher auf die Atmosphäre der Kinosäle einstimmen. Die klaren Linien und Formen wurden bewusst gewählt, um einen Wirkungsraum für die großen und kleinen bunten Dinge des Empfangs- und Wartebereichs zu schaffen: Für´s Publikum, für die Filmplakate, die Süßigkeiten, Getränke und so weiter.

An Tischen, die für den Raum entworfen wurden, können die Kinobesucher Snacks und Drinks im Stehen oder im Sitzen genießen. Filmplakate und Szenenfotos sollen die Atmosphäre abrunden. Sie werden an Plakatträgern befestigt, die als architektonisches Element die einzelnen Wandflächen gliedern.

Das Ambo-Kino-Foyer Stuttgart

Zu den beiden bereits existierenden Ambo-Kino-Sälen sollte durch diese Umbaumaßnahme im Hindenburgbau das Lichtspielhaus um zwei weitere Kinosäle erweitert werden. Da diese jedoch nicht vom bestehenden Ambo-Foyer aus zugänglich sind, musste ein neues Foyer geplant werden. Schon von außen wird der Kinobesucher durch die Wegeführung der Sauberlaufzone „auf den rechten Weg gebracht“. Eine grün gespachtelte Wandoberfläche, hervorgehoben durch die Niedervolthalogenbeleuchtung, soll in dem relativ kleinen Foyer eine anziehende Raumwirkung erzeugen. Das helle Buchenholz der Thekenanlage hebt sich angenehm warm und freundlich von seiner Umgebung ab. Mattsilberne Oberflächen und Intarsien setzten Akzente und machen gleichzeitig die Möblierung pflegeleicht und robust. Zartgrüne Kegelleuchten wiederholen das Grün der Wände. Große Monitore über der Thekenanlage und der Kasse bieten Unterhaltung und Information. Hier kann der Gast die neusten Filmtrailer oder den aktuellen Spielstand der jeweiligen Filmvorführung in den Sälen sehen. Vor den Zugängen zu den Toiletten stehen metallumrahmte Buchenholzpaneele, um den anwesenden Kinobesuchern den Blick auf´s Stille Örtchen zu verwehren. Die gesamte Foyer-Gestaltung sollte leicht und hell auf den Besucher wirken, bevor diese im wohligen Dunkel des Kinosaals versinken.

Das Kino-Café „Mephisto“ Ulm

In einem Neubau mitten in der Innenstadt Ulms sollte ein neues Kino entstehen. Im Erdgeschoß wollte der Besitzer ein Kino-Café mit Namen „Mephisto“ eröffnen. Sofort begannen bei den Planern die Assoziationsketten zu rasseln: Über dem Eingang strahlt das teuflische Grinsen des Mephisto-Konterfeis dem Besucher entgegen. Von hier aus steigt er tief unter die Erde, hinab in Richtung „Hölle“, zu einem kleinem, aber feinen Foyer und zwei Kinosälen. Dass das Farbkonzept von „dämonisch“ anmutenden Farben wie Rot und Schwarz bestimmt wird, ist naheliegend. Doch die höllisch gute Atmosphäre“ wird durch andere Elemente mitbestimmt:

Beispielsweise dem Boden des Cafés, der zwar nicht aus Teer, Pech und Schwefel, dafür aber aus Gussasphalt ist, in den kleine goldfarbene Messingreste eingestreut wurden. Die hornförmigen Wandleuchten von Philippe Strack aus weißem Mattglas bestimmen das Licht der inszenierten Unterwelt. Das Horn ist als durchgängiges Motiv beibehalten und als Miniaturausgabe in Aluminiumguß für Möbelgriffe und Garderobenhaken gewählt. Die Hängeleuchten über den Tischen sind aus rotem Glas und sollen mit der schwarzen Abhängung an einen Teufelsschweif erinnern. Insbesondere der rote Samt der Vorhänge und der gepolsterten Barhocker, Bänke und Stühle erschaffen ein theatralisches Ambiente, das nicht nur Mephistos Auftritt, sondern auch einer Selbstinszenierung der Café-Besucher entgegenkommt.

Download (PDF) Beitrag aus AIT 06/1995
Autor: Anne Batisweiler
Verlag: Verlagsanstalt Alexander Koch GmbH
www.ait-xia-dialog.de