KINOS FÜR KÖNIGE

Das Royal-Kino München

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Der Besuch eines Kinos bedeutet heute nicht mehr nur das Betrachten eines Filmes in beliebiger Umgebung, sondern soll für den erwartungsvollen Besucher auch Bühne und angenehmes, unverwechselbares Ambiente sein. Diese Einstellung spiegeln die hier vorgestellten Kinos in München und Stuttgart wieder, für die sich die Innenarchitekten und Lichtplaner etwas Besonderes einfallen ließen.

15_03_03-Zeichnung1-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995_1024pxAnsicht Royal-Kino D

15_03_03-Foto2-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995Abgehängte Metalldecke am Eingang im Royal-Kino D: Untersicht

Der Königssaal „D“

Sobald die Entscheidung auf royal blaue, bequeme Sessel gefallen war, stand das Motto fest: Der „Königssaal“ hatte seinen Namen gefunden. Mit dieser Bezeichnung ließ sich die Entwurfsidee entwickeln und umsetzen. Verkupferte Kronen vor der Wand, samtene Türpolsterungen mit kupferfarbenen Nagelbeschlägen, eine pflaumenblaue Wandbespannung und die in dunkelblauem Glimmer lackierte Lochblechkassettendecke rufen ein „majestätisches“ Ambiente hervor.
Trompetenförmige Leuchten erzeugen über die Wandkronen kräftige Schlagschatten, was dem Ganzen eine etwas dramatische Anmutung gibt. Korrespondierend zum Konzept bringen blaue Glasleuchten von der Decke die Farbe der Bestuhlung zum Leuchten. Kurz bevor der Film losgeht, flammen die orangefarbenen „Blinkerpunkte“ des gezackten Bildrahmens nochmals auf, bevor sie nach und nach verlöschen. Aus dem anschließenden Dunkel beginnt der Film ….

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15_03_03-Zeichnung2-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995_1024pxAusgang Kino Royal. Die Besucher werden nach der Vorstellung über einen Gang und Treppen ins Freie geleitet. Um den typischen „Helligkeitsschock“ zu vermeiden, wurden begehbare Bodeneinbauleuchten eingesetzt, die im Bereich der Treppe von Downlights in der Decke abgelöst werden.

15_03_03-Foto5-Beitrag Licht & Architektur 9-1995Form und Farbe der beleuchteten Hinweisschilder deuten bereits die Gestaltung der Kinosäle an.

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Der Zugang

Da die beiden Kinosäle im Untergeschoß liegen, sollte durch eine sonnige, fröhliche Farbgebung des Zugangsflures eine positive Stimmung erzeugt werden. Erste Hinweise auf den Drachen- und den Königssaal tauchen in Form von farbigen Material- und Elementkollagen auf. Das Problem der drei dicken Stützen, die die Durchgangsbreite nicht unerheblich auf dem Weg in die Säle verengen, versuchte man abzumildern, indem die Säulen eine Verkleidung aus matt-silbernem Aluwellblech bekamen, quasi nach dem Motto helle, leicht spiegelnde Oberfläche kombiniert mit Längsstreifen macht schlank! Die aufgesetzten fluoreszierenden Wellenscheiben dienen dazu, die gerade steife Form aufzulockern.

Der Ausgang

Die Kinobesucher sollten das Gefühl haben, nach dem Filmgenuß in angenehmer und heller Atmosphäre heim begleitet zu werden, indem sie die beiden Säle über einen steinernen Teppich mit Bodenstrahlern verlassen.

15_03_03-Zeichnung3-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995_1024pxDeckenspiegel Royal-Kino D

Das Licht

Über dem Eingang zum Kinosaal – in der Deckenkrone – sowie rundherum auf dem gepolsterten Bildwandrahmen wurden orangefarbene, funkelnde Lichtpunkte eingesetzt: die sonst in Schaltschränken üblichen Glimmlämpchen mit Vorwiderstand. Durch motorgesteuerte Stelltransformatoren wird eine spannungslineare Dämmung erzeugt, die durch Zünden und Verlöschen die Blinkerpunkte zufällig und zeitlich versetzt flackern lässt. Eine komplizierte elektrische Steuerung ist nicht erforderlich. Einbaustrahler mit blauen Glasvorsätzen bilden eine blendfreie Raumbeleuchtung, wobei durch verschiedene, abgestimmte Ausstrahlungswinkel und Reflektorleistungen (20, 35, 50 Watt) die Gleichmäßigkeit der Leuchtdichte über der Bestuhlung – trotz unterschiedlicher Raumhöhe – erreicht wird. Dies wurde per Lichtberechnung präzise vorbereitet.

Im Wandbereich werfen „Trompetenleuchten“ (50 Watt NV) dramatische Schatten durch die vor der Stoffbespannung montierten Kronen und unterstützen dadurch die Wandgestaltung und die Ausleuchtung der Laufzonen im Stufenbereich. Die Treppenstufenbeleuchtung der Podestanlage läuft über Dauerschaltung der Batterieanlage (Sicherheitsbeleuchtung). Die berechnete Nennspannung der Einzelröhren liegt um 35 % über der Batteriespannung. Rückreflektionen auf die Bildwand werden dadurch reduziert und gleichzeitig steigt die Lebensdauer der Leuchtmittel um das Doppelte. Das Stufenlicht im Ausgangsbereich wurde blendfrei für die im Sessel sitzenden Kinobesucher mit Sondereinbauleuchten im Sockelbereich des Geländers realisiert. Das Putzlicht und die Sicherheitsbeleuchtung der Bereitschaftslichtschaltung besteht aus einem Kombielement mit Dulux-Einbauteil und EVG. Somit wird nur ein Minimum an Energieeinsatz benötigt um das erforderliche Maß an Helligkeit im Saal zu erreichen.

Das AMBO-Kino Stuttgart

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15_03_03-Zeichnung4-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995_1024pxWandabwicklung Lautsprecher und Lampenauslässe

DAS AMBO 3

Ein klares Konzept mit Atmosphäre war gesucht. Wir entschieden uns für warme Farben in gold, orange und sonnengelb. Die Beleuchtung sollte möglichst ohne Blendung den ansonsten schwarz gehaltenen Saal mit den kräftig orangen Sesseln in ein diffuses, weiches Licht tauchen. Die Lampen wurden deshalb hinter riesigen, goldeloxierten „Lochblechschalen versteckt“. Sogar die Lautsprecher konnten mit diesen Schalen abgedeckt werden. Es entsteht der Eindruck beim Besucher, als würde er im All zwischen lauter güldenen Planeten und Sternen sitzen. Bei Filmbeginn verblassen sie dann allmählich, indem sie abgedimmt werden. Der Vorhang mußte aus Platzgründen ein Raffvorhang sein. Goldorange und dottergelbe Glanzstreifen bilden den Blickfang vorne und gebieten der Dynamik der Schalenanordnung Einhalt. Hinter diesem Tor, das sich langsam nach oben erhebt, erscheint nun der Film, eine andere Welt ….

15_03_03-Foto7-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995Mit einem Computerprogramm wurde der Aufbau der Lichtschilde (ø 70 cm) aus goldfarben eloxiertem Aluminium berechnet. Als Aufbau wurde ermittelt: Glühlampe mit klarem Glaskolben (Leuchtmittel), erster Primär-Reflektor, erster Sekundär-Reflektor, zweiter Sekundär-Reflektor als große Außenschale. Durch die doppelte Lage der beiden äußeren Reflektoren ist absolute Blendfreiheit gewährleistet

1 Primär-Reflektoren
2 Montageplatte
3 Sekundär Reflektorblech
4 Gummikante, schwarz
5 Tertiär-Reflektorblech
6 Befestigungskugeln
7 Glühlampe

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Das AMBO 4

Quasi als Pendant zu den goldenen Loch-Schilden im Saal 3, ist das AMBO 4 mit überdimensionalen Speeren gestaltet. Hinter ihnen ist die dimmbare Saalbeleuchtung im Wandbereich integriert. Die besondere Eleganz macht hier die Kombination von mattsilbernem Edelstahl mit dem dunklen, weinrot-violetten Sesselbezug und gleichfarbigem Raffvorhang aus. Die Assoziation mit ethnischen Formen ist durchaus gewollt und in einem Kinosaal sicherlich recht ungewöhnlich.

Das Foyer

Schon von außen wirkt die grünspangrün gespachtelte Wandoberfläche anziehend erfrischend auf die Vorbeigehenden. Das helle Buchenholz der Thekenanlage und der Bartische hebt sich angenehm warm und freundlich zu seiner Umgebung ab. Mattsilberne Oberflächen und Intarsien setzen Akzente und unterstützen gleichzeitig die Pflegeleichtigkeit und Robustheit. Die zartgrünen Kegelleuchten über dem Tresen wiederholen das Grün der Wände. Hier ist die Gestaltung noch hell und leicht bevor der Besucher die Kinosäle betritt und sodann vom warmen Dunkel allmählich umfangen wird.

15_03_03-Foto9-Beitrag-Licht-&-Architektur-9-1995Als heller und freundlicher Gegenpol zu den Kinosälen dient das Foyer des Ambo. Neben den „natürlichen Farben“ Buchenholz und Edelstahl wurde ein zartes Grün gewählt, das in den Leuchten ebenso aufgenommen wurde, wie auch bei der Wandoberfläche.

Umgestaltung zweier Kinos

Innenarchitektur: Planungsteam Adelmann-Batisweiler, Barbara Adelmann und Anne Batisweiler, München/D
Lichtplanung: Linie 8-Lichtarchitektur, München/D

Beitrag Licht & Architektur
Autorin: Anne Batisweiler
Verlag: Bertelsmann Fachzeitschriften