Traumfabrik Kino – eine Herausforderung in Sachen Licht – Teil 2

15_03_05_Beitragsbild-01-Licht-05-96Der große Propeller an der Saalrückwand scheint das Raumschiff anzutreiben. Jedenfalls erweckt eine dahinter montierte Lichterkette mit Lauflichtschaltung den Eindruck, als würde er sich drehen – sogar in zwei Richtungen.

Das ROYAL-KINO in München

Lichtspieltheater – in diesem geradezu antiquiert anmutenden Wort steckt es schon drin: Kinos spielen mit Licht!

Aber nicht nur um den Film auf die Bildwand zu projizieren, sondern vor allem um Raum und Farben für den Kinobesucher in ein angenehmes Ambiente, den Kinosaal in eine wohlig-spannende Atmosphäre zu tauchen. Hier sollen Stimmung, Illusion und Glamour á la Hollywood ihren Ausdruck finden! Und doch darf bei aller Spielerei nicht vergessen werden, dass auch Not-, Panik- oder Putzbeleuchtung wichtige lichttechnische Elemente für den Kinobetrieb sind. Hierfür wird den Planern eine Menge Know-how abverlangt, das ohne die Zusammenarbeit mit Beleuchtungsprofis, durch Lichtversuche oder Computerberechnungen kaum möglich ist. Vielfältigste Bestimmungen und Anforderungen sind zu berücksichtigen.
Anhand einiger Kino-Projekte der Münchner Innenarchitektinnen Anne Batisweiler und Barbara Adelmann (in Zusammenarbeit mit LINIE 8, Lichttechnik München) wollen wir diesem „Spiel mit dem Licht “ auf die Schliche kommen.

Nachdem wir Ihnen in LICHT 2/96 das Atelier-Kino in München vorgestellt haben, steht das Kino Royal der bayerischen Landeshauptstadt im Mittelpunkt dieses Artikels.

15_03_05_Beitragsbild-02_Licht-05-96_Kino-Royal-_-009Die Umlenkspiegel sitzen zwischen riesigen Gitterträgern, welche die wuchtigen Unterzüge kaschieren. Die Positionierung der Leuchten an der Wand erleichtert die Wartung.

Das Raumschiff – Kinosaal „B“

Entwurfsgedanken und Ideen
Man muß schon weit die Treppen hinaufsteigen, um den Saal B zu erreichen, aber dann betritt der Kinobesucher mit dem Gang durch die Schleuse das „Raumschiff“. So nämlich lautet das Motto für den Gestaltungsentwurf des umgebauten Kinosaals.
Riesige Unterzüge mit einer Höhe von 180 cm durchschneiden die Saaldecke, die bewusst soweit als möglich nach oben gelegt wurde. Erst recht betont sollten sie werden, diese „Ungetüme“! Neben einer akustischen Verkleidung mit Mineralwolle und Stoff erhielten sie eine gebogene Konstruktion aus Eisenglimmer-lackiertem Holz und grobem Streckgitter. Die Seitenwände wurden mit geschlitzten, dunkelblau gebeizten Holzpaneelen, kaschiert und mit Akustikdämmung bekleidet. Die Schreiner haben hier ganze Arbeit geleistet: der Raum an sich besitzt eine leicht konische Form, die Wandverkleidungen sind von vorne unten nach hinten oben ansteigend, d.h. sie ragen erst mehr, dann weniger weit in den Raum hinein. Zudem sind die Elemente in ihrer Struktur nach vorne gekippt, was durch die silbern lackierten U-Profile betont wird. Während sich die Lautsprecher dieser Kippung unterordnen, schneiden die großen Deckenträger senkrecht durch die Holzwände. Die jeweils von einer Seite beleuchteten Nischen verschiedener Blautönung schaffen mit ihren freien, dynamischen Trapezformen eine subtile Verbindung nach „Irgendwo“.
Die im Sockelbereich der Wände integrierte Stufenbeleuchtung vermittelt bei den seitlichen Raumbegrenzungen einen abhebenden Eindruck. Unter der großformatigen Akustikdecke schweben wie fliegende Untertassen nach oben oder unten gewölbte Aluminiumspiegel. Durch sie wird das an der Wand montierte Licht indirekt auf die blauschwarzen Sessel umgelenkt. Gleichzeitig werfen die Spiegel elliptische Schattenbilder auf die Deckenstruktur und verstärken damit den fliegenden Effekt der Elemente. Die Positionierung der dazugehörenden Saalleuchten im Gangbereich entlang der Wand erleichtert – wenn’s notwendig wird – das Wechseln der Leuchtmittel wesentlich gegenüber einer schwer zugänglichen Anordnung oberhalb der Bestuhlung.
An der Saalrückwand sitzt zwischen den beiden Fenstern des Bildwerferraumes ein riesiger Propeller. Durch eine Hinterleuchtung entsprechend blinkender Tubelights soll der Anschein des Rotierens erzeugt werden.
Während die Kinobesucher sich versammeln, der Saal sich langsam füllt, schaltet sich vorne an der Bildwand, versteckt hinter dem Bühnenträger zum Rhythmus der Musik eine Struktur stark gebündelter Lichtstrahlen abwechselnd ein und aus. Unten, im „Kühlergrill“, wechselt sich orangefarbiges mit blauem Licht ab und wirft strahlenförmige Lichtgebilde auf den Boden. Dann fährt die Kaschierung auf – der Kinobesucher sieht durch das „Cockpitfenster“ und startet in eine andere Welt. Die Illusion des Films fängt ihn ein …

Lichttechnische Beschreibung

Das Saalgrundlicht wird per Wandmontage von Dreiergruppen an jeweils einer Coaxial-Stromschiene mit Innenleiter und 300 VA-Transformator (24 Halogenstrahler, 24 Volttechnik, je 100 Watt Bestückung) durch Umlenkung per Aluminiumspiegel an der Decke blendfrei auf die Bestuhlung des Zuschauerraums gerichtet. Die Spiegel haben einen Durchmesser von 40 cm und sind per Dreh-/Kippgelenk einstellbar. Sie wurden per Computerberechungsprogramm erruiert und sind je nach Abstand zur Bestuhlung der ansteigenden Podestanlage und gewünschtem punkt- oder ringförmigem Lichtbild, konvex oder konkav angeordnet. Die schwenk- und drehbaren Strahler (Typ Co-Ax C.A.D. 9 von LFF) erlauben vor Ort über die integrierte Leuchtdichteverstellung am Reflektor (von 1600 bis 4000 cd/klm) eine weitere Anpassung an die unterschiedliche Entfernung zwischen Lichtquelle und Umlenkspiegel. Das Restlicht im Randbereich der Spiegel erzeugt ein interessantes Spiel von Kern- und Teilschatten an der Decke.

Die Anordnung der Strahler an den Seitenwänden wurde insbesondere wegen der sehr großen Raumhöhe vorgesehen, da ein Leuchtmittelwechsel im Bereich oberhalb der Bestuhlung nur noch mit großem Aufwand möglich wäre.

In den Wandnischen – die bereits im Kino-B-Zugang auftauchen – und für die notwendige Stufenbeleuchtung wurden dimmbare Röhrenleuchten eingesetzt. Die akustische Wandverkleidung erhält dadurch einen „schwebenden“ Charakter. Im unteren Bereich der Bildwand werfen 25 Kaltlichtreflektoren á 50 Watt mit Farbvorsatzfiltern (in den Komplementärfarben Blau und Orange, alternierend) zwischen mattgebürsteten Edelstahlrohren farbige, sich überkreuzende Lichtstreifen auf den Teppichboden. Dieser Effekt lässt sich über die Matrix auch im Wechsel zur Saalbeschallung der Musik steuern.

Von oben – hinter dem Bühnenträger versteckt – bieten 9 „Lichtlanzen-Strahler“ von iGuzzini (je 100 Watt) mit senkrechten und sich überkreuzenden schmalen Lichtstreifen passend zum Rhythmus der Musik eine Art Lichtshow für die wartenden Kinobesucher. Weitere 8 dazwischensitzende Halogenfluter (je 250 Watt, R75 ebenfalls von iGuzzini), mit orangen Farbscheiben versehen, bilden einen Lichtschleier, dessen Intensität weich von oben nach unten abnimmt.

Bis auf die Sicherheitsbeleuchtung in Dauerlichtschaltung oder das Putzlicht sind somit alle Lichtquellen im Bereich des Kino B über Steuereinheit vom Vorführraum aus dimmbar und im jeweils dramaturgisch inszenierten Wechsel schaltbar.

 

15_03_04_ROY_Licht01-05-19964 Dramatische Schlagschatten der Kupferkronen an der Wand durch die punktstrahlenden Trompetenleuchten (6 x 6-2 Varianten).

Der Königssaal „D“

Entwurfsgedanken und –ideen

Sobald die Entscheidung auf royalblaue bequeme Sessel gefallen war, stand das Motto fest: Der „Königssaal“ hatte seinen Namen gefunden. Mit dieser Bezeichnung ließ sich die Entwurfsidee gut entwickeln und umsetzen.

Verkupferte Kronen vor der Wand, samtene Türpolsterungen mit kupferfarbenen Nagelbeschlägen, eine pflaumenblaue Wandbespannung und die in dunkelblauem Glimmer lackierte Lochblechkassettendecke rufen ein „majestätisches“ Ambiente hervor.

Trompetenförmige Lampen erzeugen über die Wandkronen kräftige Schlagschatten, was dem Ganzen eine etwas dramatische Anmutung gibt.

Korrespondierend zum Konzept bringen blaue Glasleuchten von der Decke die Farbe der Bestuhlung zum Leuchten.

Kurz bevor der Film losgeht, flammen die orangefarbenen „Blinkerpunkte“ des gezackten Bildrahmens nochmals auf, bevor sie nach und nach verlöschen. Aus dem anschließenden Dunkel beginnt der Film…

15_03_05_Beitragsbild-03_05-96Blick vom Saaleingang auf den gepolsterten Bildwandrahmen mit den Blinkerpunkten aus Schaltschrankleuchten (9 x 12 quer).

 

Lichttechnische Beschreibung

Über dem Eingang zum Kinosaal – in der Deckenkrone – sowie rundherum auf dem gepolsterten Bildwandrahmen wurden orangefarbene, funkelnde Lichtpunkte eingesetzt: die sonst in Schaltschränken üblichen Glimmlämpchen mit Vorwiderstand. Durch motorgesteuerte Stelltransformatoren wird eine spannungslineare Dimmung erzeugt, die durch Zünden und Verlöschen die Blinkerpunkte zufällig zeitlich versetzt flackern lässt.

Eine komplizierte elektrische Steuerung ist nicht erforderlich.

Einbaustrahler mit blauen Glasvorsätzen bilden eine blendfreie Raumbeleuchtung, wobei durch verschiedene, abgestimmte Ausstrahlungswinkel und Reflektorleistungen (20, 35, 50 Watt) die Gleichmäßigkeit der Leuchtdichte über der Bestuhlung – trotz unterschiedlicher Raumhöhe – erreicht wird.

Im Wandbereich werfen „Trompetenleuchten“ (50 Watt NV) dramatische Schatten durch die vor der Stoffbespannung montierten Kronen und unterstützen dadurch die Wandgestaltung und die Ausleuchtung der Laufzonen im Stufenbereich.

Die Treppenstufenbeleuchtung der Podestanlage läuft über Dauerschaltung der Batterieanlage (Sicherheitsbeleuchtung). Die berechnete Nennspannung der Einzelröhren liegt um 35 % über der Batteriespannung. Rückreflektionen auf die Bildwand werden dadurch reduziert und gleichzeitig steigt die Lebensdauer der Leuchtmittel um das Doppelte. Das Stufenlicht im Ausgangsbereich wurde blendfrei für die im Sessel sitzenden Kinobesucher mit Sendereinbauleuchten im Sockelbereich des Geländers realisiert.

Putzlicht und Sicherheitsbeleuchtung der Bereitschaftslichtschaltung besteht aus einem Kombielement mit Dulux-Einbauteil und EVG. Somit wird nur ein Minimum an Energieeinsatz benötigt, um das erforderliche Maß an Helligkeit im Saal zu erreichen.

15_03_04_ROY_Licht-05-1996Der Drachensaal des Royal-Kinos München, durch unterschiedlichste Leuchtmittel grün schillernd und funkelnd in Szene gesetzt.

Der Drachensaal „E“

Entwurfsgedanken und –ideen

Dicke Stützen links und rechts und große Unterzüge unter der Decke untergliederten den Raum in wiederkehrende Nischen. Man hatte das Gefühl sich im Inneren des Skeletts eines riesigen Drachen zu befinden. Schon war es da, das Gestaltungskonzept: Dunkelgrüne Sessel, smaragdgrüner Boden, grünglitzernde Metalldecke, schwarze Wandbespannung, geschützt von verschieden großen Streckgitterschuppen, giftgrüne Profile und Träger sowie schillernde Drachenzacken auf dem seetanggrünen Vorhang, all dies unterstreicht die Entwurfsidee. Mit dem Lichtkonzept mußte natürlich die Stimmung unterstützt werden: Unter der im Zickzack angeordneten Metallelementdecke wird durch die sogenannten „Bulbs“, eine Art leuchtgrüne Lochblechhalbkugeln das Licht in viele kleine Lichtpunkte aufgeteilt. Es entsteht ein Eindruck wie von Luftblasen unter Wasser, gerade so als wäre man zu Besuch bei Nessy. Vorne wird der Vorhang mit den „Zahnzacken“ nur von einer Seite grün beleuchtet. Hinter den Streckgitterschuppen sind grüne Tubelights aufgesetzt, die, sobald der Film startet wie das Funkeln eines erlöschenden Feuerwerks in unterschiedlicher Folge ausgehen.

Lichttechnische Beschreibung

In der schuppenförmig angeordneten dunkelgrünen Decke werden NV-Einbaustrahler (dreh- und schwenkbar) von halbkugelförmigen, hellgrün lackierten Lochblechdrückteilen (40 % Lichtdurchlässigkeit), den sogenannten „Bulbs“, abgedeckt. Die Standardmäßig weißen Einbaustrahler erscheinen durch die Rückreflektion des Schaleninneren ebenfalls hellgrün. Die Leistungsstufe der eingesetzten Leuchtmittel nimmt zur Bildwand hin zu, um bei zunehmender Raumhöhe die gleiche Grundhelligkeit im Sitzbereich zu erreichen.

In den versetzt angeordneten Seitenwandverkleidungen aus lackierten Stahlträgern und Streckgittern sitzen grünleuchtende „Tubelights“. Verschiedene Gruppen werden durch eine Schaltmatrix so gesteuert, dass sich in einem Zeitraum von ca. 15 Sekunden die einzelnen Gruppen scheinbar zufällig ein- und ausschalten, ein ähnlicher Rhythmus wie bei einem verlöschenden Feuerwerk.

Nur auf der rechten Seite angeordnete grüne 3°-Punktstrahler (6 Volt, 35 Watt) erzeugen asymmetrisch angeordnete Streiflichter auf dem Bildwandvorhang.

15_03_05_Beitragsbild-05_05-96Die Wandgestaltung aus Streckmetall dient als Beleuchtungsträger zur Aufnahme der Surroundlautsprecher und Schutz der Stoffbespannung.

Beitrag in LICHT – 05/1996
Autorin: Anne Batisweiler
Verlag: Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG
www.lichtnet.de

 

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