Die architektonische Gestaltung von Kinos

„Spannende Entwicklungen“

München – Die Zukunft beginnt innen: Um Kino für Besucher noch stärker zu einem einzigartigen Erlebnisort werden zu lassen, kommt einer attraktiven und individuellen Raumgestaltung wachsende Bedeutung zu.

Die Zahl der Kinos mag in Deutschland seit Jahren unter dem Strich rückläufig sein, Neueröffnungen und Neubauten gibt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu feiern. Form und Fassadengestaltung sowie ihre Höhe folgen dabei nicht nur den Vorstellungen des Bauherren und seines Architekten, sondern sind selbstverständlich einer ganzen Reihe von Vorschriften unterworfen.
„Gerade wenn sie ein Kino in der Innenstadt errichten wollen, müssen sie sich den dort vorhandenen Baustilen anpassen. Da gibt es ganz konkrete Vorgaben vom Bauamt, die in den Architekturplänen für die Außenstruktur zu berücksichtigen sind. Das beginnt schon bei der Verwendung der Materialien und ihrer Farben“, erläutert Christian Pelzer von der Deutschen Theaterbau GmbH, die seit 1949 Kinos gestaltet. Als vorherrschendes Konstruktionsprinzip habe sich eine Skelettbauweise aus Stahlbeton durchgesetzt: „Aufgrund der Größe der Räume sind überbreite Spanndecken notwendig, aus einem Material, das große Stützweiten überbrücken kann. Der Rahmen besteht aus Stahlbeton, bei den Trennwänden gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder werden sie ebenfalls in Beton gebaut oder aber in einer Leichtbauweise, bei der nur die tragenden Säulen aus Beton sind, während der Rest mit speziellen Trockenbauplatten verkleidet wird, die nicht so viel Gewicht auftragen. Der Skelettbau sorgt in jedem Fall für ein Hochmaß an Stabilität.“

An der grundlegenden Konstruktion eines Kinogebäudes müsse sich auf absehbare Zeit nichts Grundlegendes ändern, konstatiert die Münchner Architektin und Designerin Anne Batisweiler. Maßgebliche Aufgabe sei die Innengestaltung: „Man muss sich als Betreiber überlegen, was das Kino von anderen Medienangeboten wie Fernsehen, Internet und digitalen Endgeräten unterscheidet und welchen exklusiven Mehrwert es liefern kann.“ Neben einer hochwertigen Projektion und Tontechnik sei auch ein besonderes Ambiente gefragt.

Cineplex-Memmingen-3_366x269Das CINEPLEX in Memmingen, im Dezember 2007 eröffnet, erstrahlt in modernem Glanz

Eine Sichtweise, die Babette Lischka von der Huber Lischka Architekten GmbH in München teilt. Die Attraktivität eines Kinos beginnt für sie bereits beim Foyer: „Vor allem in den Multiplexen ist es oft noch so, dass es tolle Säle mit hervorragender technischer Ausstattung gibt, aber die Foyers eher wie Bahnhofshallen wirken, sehr leer, schlicht und ohne individuellen Look. Gerade auf ein älteres Publikum macht dies häufig den Eindruck einer Massenabfertigung.“
Ein „Erlebnisort“ sollte seinen Gästen gleich beim Eintreten einen gemütlichen Abend versprechen, mit einem Ticket- und Concessionsverkauf, der so angenehm wie möglich abläuft. Thekenlängen von 15 Metern oder mehr sind heute keine Seltenheit mehr, um einen schnelleren Service bieten zu können und die Bildung von Schlangen weitgehend zu vermeiden. Allgemein könnten Foyers in gastronomischer Hinsicht aber noch mehr Akzente setzen, findet Lischka. „Nur wenige Kinobetreiber haben es hingekriegt, dass die Gäste regelmäßig auch in ihre Bar oder ihr Restaurant nebenan gehen. Alternativ könnte an den Verkaufstheken ein breiteres Angebot erhältlich sein, so dass man sich mit einem Kaffee oder einem Glas Wein an eine schön gestaltete Bar im Foyer setzen kann.“

Foyer des CINEPLEX in Memmingen

Thomas Kreiter, der das Architektur- und Ingenieurbüro Kreiter leitet, hat die 2007 bzw. 2013 eröffneten Cineplex-Filmtheater in Memmingen und Penzing mit konzipiert. Da sie auch sehr stark ein Familienpublikum anlocken sollen, integrierte er in beide Foyers Kinderspielplätze, die lediglich durch Glaswände abgetrennt sind. „Generell sollte alles sehr hell und lichtdurchflutet sein und dadurch ansprechend auf die Gäste wirken. Auch den Kassenbereich haben wir nicht vom Foyer getrennt, weil es so übersichtlicher ist“, sagt Kreiter, der innen wie außen kompakte, funktionale Formen bevorzugt.

Gloria-Palast-München-1An Eleganz kaum zu übertreffen: der Gloria Filmpalast in München

Für Batisweiler stellt sich als weitere zentrale Frage, welche technischen Möglichkeiten es gibt, um das Kinoerlebnis noch zu verstärken – sowohl in den Sälen als auch in den Foyers. Ihrer Meinung nach kommt dabei auch dem Licht eine wichtige Rolle zu. Sie kritisiert in diesem Zusammenhang kalte, tageslichtähnliche Beleuchtung, die einer angenehmen Atmosphäre abträglich sei. „Das ist furchtbar für die Augen. Gerade in den Abendstunden ist dieses Licht zu grell und zu blendend. Besser ist Beleuchtung in warmen Tönen oder gleich farbiges Licht. Dies könnte auch im Foyer mit Hinterleuchtungen und Projektionen jeglicher Art kombiniert werden, künftig auch mit holographischen Elementen. Da gibt es spannende Entwicklungen in der Beleuchtungstechnik, die ganz neue Szenarien möglich machen werden und den Gästen so den Eindruck verschaffen, dass sie sich in einer anderen Welt befinden. Sicher nicht alles in unmittelbarer Zukunft, aber in den nächsten zehn oder 20 Jahren.“

In den Sälen geht der Trend zum gehobenen Kino mit komfortablen Sitzen, viel Beinfreiheit und hochwertiger Ausstattung. Um allen Zuschauern eine optimale Sicht zu garantieren sollte die Bestuhlung wie in einem Amphitheater auf Stufen und nicht ebenerdig installiert werden. „Wir bieten dafür ein Rampungssystem an, das erst nach der Rohbauphase eingebracht wird. Dabei handelt es sich um eine Stahlkonstruktion, die mit Spezialplatten belegt wird. Der Vorteil ist, dass man sie jederzeit wieder ausbauen kann, wenn das Kino mal nicht mehr läuft, und die Räume problemlos anderweitig genutzt werden können“, erläutert Pelzer. „Früher, als dafür noch eine Betonbauweise üblich war, mussten sie in so einem Fall das ganze Haus abreißen.“ Immer aufwendigere Soundsysteme erfordern zudem eine großzügige Dimensionierung der Säle – vor allem dann, wenn sie, wie Dolby Atmos, auch eine große Anzahl an Deckenlautsprechern umfassen. „Das bringt einen Riesenaufwand bei der Verkabelung mit sich. Je höher die Räume, desto besser. Auch die Boxen an sich haben Auswirkungen auf die Planung. Sie machen sich vor allem bei der Lichtgestaltung bemerkbar, weil wir die Position der Lautsprecher und der Lampen aufeinander abstimmen müssen“, erläutert Andreas Herrmann vom Architekturbüro Gruppe Bau Art. Eine Nachrüstung gestaltet sich noch um einiges komplizierter. Um die Boxen ordnungsgemäß einbauen zu können, muss die Decke nach unten verlagert werden – ein Eingriff, der laut Pelzer problematisch sein kann: „In den meisten Sälen verläuft der Projektionsstrahl ganz knapp unter der Decke. Die Lautsprecher dürfen aber natürlich nicht in diesen Strahl hineinkommen. Also ist in der Regel eine bestimmte Tiefe des Raums notwendig, weil man auch nicht überall als Kompromiss den Projektor tiefer setzen kann.“ Platz einsparen lässt sich hingegen beim Vorführraum. Da die klobige Analogtechnik fast vollständig der Vergangenheit angehört, haben sie heute meist nur noch ein Drittel ihrer früheren Größe. Im Gegenzug werden entweder die Säle vergrößert oder zusätzliche Abstellräume geschaffen. Auch die ersten Säle ohne Vorführraum werden bereits konstruiert. „Da verschwindet der Projektor in einer Hohldecke, die hinter dem Saal verläuft. In China werden inzwischen so gut wie keine Vorführräume mehr gebaut. Die Projektoren hängen dort entweder im Saal oder in einer Zwischendeckenebene dahinter“, weiß Herrmann. Ein Einbau direkt in den Saal bedinge allerdings bestimmte schallakustische Voraussetzungen, ergänzt Pelzer, der mit seiner Firma in letzter Zeit viele Kinos im Bühnenbereich umrüstet, um sie vielfältiger nutzbar zu machen. „So legen wir unter anderem Multimediaanschlüsse, damit jenseits von Filmvorstellungen Podiumsdiskussionen oder musikalische Angebote möglich sind.“

Beitrag in BLICKPUNKT:FILM – 20/2014
Autor: Alexander Kolbe
Verlag: Busch Entertainment Media GmbH
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