Projekt Mathäser, München

Als das legendäre Premierenkino in München, der Mathäser 1996 geschlossen und abgerissen werden sollte, bestand dringender Bedarf nach einem Neubau. In einer innerstädtischen Baulücke galt es, neben einem neuen Kino mit 14 Kinosälen und etwa 4.500 Sitzplätzen, auch eine Mall mit Läden und Gastronomie zu planen. KPB lieferte hier Lösungen, wo andere keine Idee mehr hatten.

Das Projekt war damals seitens des Investors / Eigentümers gerade ins Stocken geraten, als die Stadtgestaltungskommission München die Genehmigungsfähigkeit mit einem 10-Punkte-Katalog abgeschmettert hatte.
Unter anderem wurden die nicht eingehaltenen Trauf-, Bauhöhen und -grenzen, die riesige Fassadenfläche ohne Fenster an der Schlosserstraße, eine zu schmale Mall, ein fehlender markanter, großzügiger Eingang zur Mall, zu wenig Bewegungs- und Kommunikationsflächen und keine Ablesbarkeit des Kinos nach außen hin bemängelt. Bernd Eichingers Constantin Film stieg daraufhin in die Projektentwicklung ein und beauftragte uns Anfang März 1997 die Kinoplanung des Mathäser zu übernehmen, der nach dem Erfolg in Köln ein zweiter Cinedom werden sollte. Constantin fungierte dabei nicht nur als Kinobetreiber, sondern wurde auch Generalmieter des gesamten Gebäudekomplexes.

Nach erster Sichtung der bestehenden Eingabepläne zeigte sich uns, dass gravierende Mängel bezüglich Projektion (zu steil, damit verzerrt), Akustik (nicht berücksichtigt), Barrierefreiheit (nicht gewährleistet), Fluchtwegen (Stolperstufen in Gängen und Türen), Bestuhlung (unzureichender Platzbedarf) und z.B. Schleusen (gar nicht vorhanden) bestanden. Gemeinsam mit Constantin-Kino-Geschäftsführer Thomas Peter Friedl entwickelten wir eine Überarbeitung der kompletten vermieterseitigen Planung, weit über die Grenzen des ursprünglichen Kinobereichs hinaus. Hier erfuhren wir seitens unseres Auftraggebers Constantin Film große Unterstützung und Vertrauen. Denn damals, als noch „junges“ Unternehmen, bekamen wir die Chance zu zeigen, wie von innen heraus eine Kinoplanung angegangen wird und in wechselseitiger Abstimmung mit dem Außen herausragende Lösungen gefunden werden.

Zu Hilfe kamen uns zudem die Begeisterung fürs Tüfteln, eine ordentliche Portion Ideenreichtum und umfassendes übergreifendes Know-how über die reine Architektur und Innenarchitektur hinaus.

Zunächst wurden alle Kinosäle in Relation zu den Sitzplatzzahlen einzeln in den Längen, Breiten und Höhen optimiert. Somit wurden unterschiedlich große „Kisten“ entwickelt, die es nun im Bauvolumen sinnvoll anzuordnen galt. Dabei waren folgende Kriterien zu berücksichtigen:

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  • Die Abmessungen und Forderungen durch die Behörden und Gesetze werden eingehalten
  • Die Bildwerferräume werden möglichst zusammenhängend geplant (damals war Interlock, also die Abspielbarkeit analoger Filme über mehrere hintereinander angeordnete Kinoprojektoren verschiedener Säle das Non-plus-ultra)
  • Zur besseren Orientierung der Besucher werden die Kinosäle nachvollziehbar im Gebäude angeordnet
  • Es gibt möglichst kurze Wege für Lüftung, Klima, Haustechnik um Technik-, Materialkosten und Brandschutzmaßnahmen einzusparen
  • Die Anordnung der Räume ist sinnfällig und es gibt möglichst kurze Flucht- und Rettungswege mit möglichst wenig Treppenräumen (Minimierung kostenintensiver Nebenflächen)
  • Der Baukörper wird durch Staffelung der Kinosäle interessant gestaltet, so dass für das Stadtbild verträgliche Fassaden entstehen
  • Eine selbsterklärende Wegeführung und optimierte Organisations- und Betriebsabläufe für den Kinobetrieb werden sicher gestellt ebenso wie für die Mall und alle daran angegliederten Mietbereiche (Läden, Praxen, Gastronomien, Büros, Wohnungen usw.)
  • Lagerflächen werden dort zugeordnet, wo sie gebraucht werden (z.B. bei Concessiontheken, Kassen)
  • Eine Event- und Erlebnisarchitektur als Publikumsmagnet wird erschaffen

Wichtig war also, eine ganze Reihe von Vorgaben optimal zusammenzufügen, ähnlich wie bei einem Puzzle. Da gab es wirtschaftliche, funktionale, technische, gesetzliche, behördliche, nutzerspezifische und gestalterische Aspekte in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Die Räume sollten genug Platz bieten, für das was darin benötigt wurde (Mikrokosmos Menschen und Möbel im Makrokosmos Raum) sowie sinnvoll angeordnet sein.

Obwohl KPB damals „nur“ mit der Kinoplanung der 14 Säle mit Nebenflächen beauftragt war, konnten wir genau damit den gesamten Gebäudekomplex mit allen anderen Mietbereichen enorm optimieren. Es konnten 2 Ebenen eingespart werden (weniger Baukosten und kürzere Bauzeit), alle zehn Punkte der Stadtgestaltungskommission waren erfüllt (und somit wurde die Genehmigung möglich), erhebliche Vereinfachungen für die haustechnische Versorgung wurden geschaffen (enorme Kosteneinsparungen und Erleichterungen beim Brandschutz) und alle Säle in optimalen Proportionen mit jeweils einer vierten Wand als Bildwand umgesetzt.

Der Mathäser ist nach wie vor das Premierenkino in München, ja in ganz Süddeutschland und mit jährlich knapp zwei Millionen Besuchern seit vielen Jahren Deutschlands erfolgreichstes Kino.