Traumfabrik Kino – eine Herausforderung in Sachen Licht – Teil 3
Die goldenen, gewölbten Lochblechschalen, die aussehen wie im All schwebende Planeten und Sterne, dienen der Saalbeleuchtung, der Abdeckung der Lautsprecher und als Träger der Vorhangbeleuchtung.
Das Ambo-Kino, Stuttgart und die Gabriel-Lichtspiele, München
Schild und Speer:
Das Ambo-Kino
Ein klares Konzept mit Atmosphäre war gesucht. Man entschied sich für warme Farben in gold, orange und sonnengelb. Die Beleuchtung sollte möglichst ohne Blendung den ansonsten schwarz gehaltenen Saal mit den kräftig orangen Sesseln in ein diffuses, weiches Licht tauchen. Die Lampen wurden deshalb hinter riesigen, goldeloxierten Lochblechschalen „versteckt“. Sogar die Lautsprecher konnten mit diesen Schalen abgedeckt werden. Es entsteht der Eindruck beim Besucher, als würde er im All zwischen lauter güldenen Planeten und Sternen sitzen. Bei Filmbeginn verblassen sie dann allmählich, indem sie abgedimmt werden. Der Vorhang mußte aus Platzgründen ein Raffvorhang sein. Goldorange und dottergelbe Glanzstreifen bilden den Blickfang vorne und gebieten der Dynamik der Schalenanordnung Einhalt. Hinter diesem Tor, das sich langsam nach oben erhebt, erscheint nun der Film, eine andere Welt …
Neben konventionellen Deckeneinbaustrahlern, spielt hier die beleuchtete Wandgestaltung eine besondere Rolle: Per Computerprogramm wurde der Aufbau der Lichtschilde (Durchmesser 70 cm, Aluminium goldfarben eloxiert) berechnet. Es ergab sich folgender Aufbau: Glühlampe mit klarem Glaskolben als Leuchtmittel, erster Primär-Reflektor, erster Sekundär-Reflektor, zweiter Sekundär-Reflektor als große Außenschale.
Durch die doppelte Lage der beiden äußeren Reflektoren ist eine absolute Blendfreiheit gewährleistet.
Quasi als Pendant zu den goldenen Loch-Schilden im Saal 3, ist das AMBO 4 mit überdimensionalen Speeren gestaltet. Hinter ihnen ist die dimmbare Saalbeleuchtung im Wandbereich integriert. Die besondere Eleganz macht hier die Kombination von mattsilbernem Edelstahl mit dem dunklen weinrot-violetten Sesselbezug und gleichfarbigem Raffvorhang aus. Die Assoziation mit ethnischen Formen ist durchaus gewollt und in einem Kinosaal sicherlich recht ungewöhnlich.
Im Foyer wirkt die grünspangrün gespachtelte Wandoberfläche anziehend erfrischend auf die Vorbeigehenden. Das helle Buchenholz der Thekenanlage und der Bartische hebt sich angenehm warm und freundlich zu seiner Umgebung ab. Mattsilberne Oberflächen und Intarsien setzen Akzente und unterstützen gleichzeitig die Pflegeleichtigkeit und Robustheit. Die zartgrünen Kegelleuchten über dem Tresen wiederholen das Grün der Wände. Hier ist die Gestaltung noch hell und leicht bevor der Besucher die Kinosäle betritt und sodann vom warmen Dunkel allmählich umfangen wird.
Zartgrüne Hängeleuchten und Downlights verleihen dem Foyer des Ambo-Kinos die nötigen Glanzpunkte für ein glamouröses Entreé.
Im Foyer der Gabriel-Lichtspiele setzt sich im Spiegel hinter der Theke der Lichtschein oberhalb der Deckenkonstruktion nahezu unendlich fort.
Die Raumgestaltung durch den gestaffelten Lichtschein der Deckenschalen wurde mit Hilfe des beidseitigen Kippens und dem Hinterleuchten der Wandelemente verstärkt.
In dem schlichten, kleinen Saal 2 mit „nur“ 63 Plätzen hebt die Beleuchtung auf die gelbgoldene Bestuhlung den Komforteindruck und lässt ein Gefühl der Beklommenheit gar nicht erst entstehen.
Münchens ältestes Kino:
Die Gabriel-Lichtspiele
Bei der Umgestaltung des Foyers der Gabriel-Lichtspiele war eins klar: „Die Decke bleibt drin Denn geschwungene abgehängte Formen kombiniert mit gerillten Rabitz-Gips-Flächen und indirekter Beleuchtung sind in dieser Art ja kaum mehr herzustellen, geschweige denn zu bezahlen. Ähnliches galt für den Bruchsteinboden, der neben den Eigenschaften strapazierfähig und pflegeleicht zu sein Lebendigkeit in das Foyer zaubert.
Ansonsten wurde so ziemlich alles neu gemacht – möglichst preiswert und dennoch mit großer Wirkung! Münchens ältestes Kino (seit 1906), das zuletzt ein schummriges Pornokino war, sollte sich durch den Umbau wieder als modernes, freundliches Lichtspielhaus dem breiten Publikum präsentieren.
Mintgrün, Altrosa und Eierschale, neben graphischem Schwarz und Weiß als typische Farben der 50er und 60er Jahre, spielen genauso eine wichtige Rolle in der Gestaltung, wie die geschwungenen Formen von Kassentheke und Stehtischen. Sie sollen – gerade in der heutigen Zeit – das positive, hoffnungsvolle Gefühl der Wirtschaftswunderjahre wiederaufleben lassen.
In die abgehängten Deckenscheiben wurden neue Leuchtstoffröhren mit EVG eingesetzt, was Wirtschaftlichkeit, Lichtqualität und Lebensdauer neben der Hervorhebung der Gestaltungsformen enorm verbessert. Wichtig war auch die Wahl der Lichtfarbe, weil der Warmton der Röhren sowohl die Atmosphäre, als auch den Übergang zum Lichtbild der Wandleuchten mit Glühlampenlicht weicher gestaltet.
Dreh- und schwenkbare Decken-Downlights in bogenförmiger Anordnung sorgen für eine brillante Ausleuchtung des Thekenbereichs.
Gleich ebenerdig zum Foyer liegt das Kino 1 mit seiner eindrucksvoll indirekt beleuchteten Deckenkonstruktion. Dieser gefächerte „Scheibeneffekt“ sollte eine Verstärkung in seitlich hinzugefügten, gekippten und hinterleuchteten Wandformen finden. Außerdem konnte in den vorstehenden Elementen die Lautsprecheranlage unsichtbar untergebracht werden.
Neben der Farbgestaltung à la 1001 Nacht in Dunkelblau und Silber, wurde das Quadrat zum sich wiederholenden Gestaltungselement: als funkelnde, blinkende Applikation auf dem Bildwandvorhang oder den Türpolsterungen sowie im Teppichdekor und als Ausfachung an den Podestgeländern.
Wesentliches Element der Lichtgestaltung ist die direkte Beleuchtung auf die Bestuhlung in den Sälen, um die intensiven Farben der Sessel zum Leuchten zu bringen. Leider wurden im hinteren Bereich des Saal 1 keine Niedervolt-Downlights eingebaut. Diese hätten gegenüber den konventionellen Glühlampen nämlich den Vorteil eines geringeren Verbrauchs, bei gleichzeitig brillianterem, zudem gerichteten Lichts und höherer Lebensdauer.
„Nur kein Rot verwenden, welches an die jüngste Vergangenheit als Pornokino erinnern könnte!“ – hieß die Devise. Daher tritt der obere Kinosaal auch recht würdevoll in Gold und Schwarz auf. Früher war dies der Balkon eines einzigen großen Kinosaales, bis er Mitte der 70er Jahre durch eine entsprechende Schall- und Brandschutzwand zu einem eigenen Saal abgetrennt wurde.
Die mit Polsternägeln formierten „G“-Buchstaben auf den gepolsterten Türen verweisen auf Carl Gabriel, einen „Directeur“ von Völkerschauen, nach dem das Lichtspielhaus noch heute benannt ist.
Beitrag in LICHT – 05/1997
Autorin: Anne Batisweiler
Verlag: Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG
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