Kinopolis-Geschäftsführer Gregory Theile über das neue Dolby Cinema
INTERVIEW
»WERBUNG FÜR DAS KINO AN SICH« Qualitativ herausragende Angebote sind seiner Ansicht nach ein Schlüssel zur Zukunft des Kinos. Wir sprachen mit Kinopolis-Geschäftsführer Gregory Theile über das neue Dolby Cinema.
Für Sie steht in diesem Sommer auch ein kleines Jubiläum an: Vor 15 Jahren sind Sie in die Geschäftsleitung ihres Familienunternehmens eingetreten. Was unterscheidet Kino damals und heute?
Auch wenn das Kinoerlebnis in den vergangenen 15 Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat, hat sich der Markt in demselben Zeitraum fundamental verändert. Das Jahr, in dem ich in das Unternehmen eingetreten bin, haben wir mit fast 160 Mio. Besuchern abgeschlossen. Letztes Jahr waren es bekanntermaßen nur noch 105 Mio. verkaufte Tickets. Hinzu kommt, dass der Aufwand, der betrieben werden muss, um diese Besucherzahl zu erreichen, deutlich gestiegen ist. Dies gilt sowohl in kommunikativer Hinsicht als auch in Bezug auf das, was im Kino geboten werden muss. Die letzten 15 Jahre haben jedoch auch eine Vielzahl unglaublich positiver Entwicklungen mit sich gebracht. Digitale Projektion und 3D waren 2004 praktisch noch nicht existent und sollten erst einige Jahre später eine nennenswerte Rolle spielen. Damit einhergehend gab es eine massive Qualitätsverbesserung bei der Projektion und auch die Soundsysteme haben in diesem Zeitraum qualitative Quantensprünge erlebt. Darüber hinaus ermöglichte erst die digitale Projektion das Abspielen von Live-Content im Kino, was uns völlig neue Besucherschichten erschlossen hat. Allerdings hat sich auch das Wettbewerbsumfeld in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum dramatisch verändert. 2004 gab es noch kein YouTube, keine sozialen Medien, keine Streaming-dienste, keine Smartphones und auch das Thema Gaming hat eine komplett andere Rolle gespielt. Unterm Strich ist es wohl fair zu sagen, dass die Zeiten deutlich herausfordernder geworden sind.
Solange die Leistung stimmt, wird ein angemessener Preis nie das Thema sein.
Ein Jahr zuvor war der Mathäser Filmpalast an der Stelle des alten Gebäudekomplex eröffnet worden. Welche Stellung nimmt das Haus heute für Kinopolis ein?
Der Mathäser war natürlich ein Glücksfall für uns und er nimmt nach wie vor eine herausragende Stellung ein. Mehr als jeder fünfte Besucher unseres Unternehmens kommt aus dem Mathäser, was zur Folge hat, dass der Gesamterfolg von Kinopolis in erheblichem Maße von diesem Kino beeinflusst wird – was Chance und Risiko zugleich ist. Das besondere Augenmerk, das dieses Haus dadurch genießt, hat uns damit aber auch angetrieben, neue Konzepte wie das(m)K6 oder das Dolby Cinema umzusetzen.
Die Entscheidung für die jüngste Großinvestition fiel in einem Jahr, in dessen Verlauf die deutschen Kinos erhebliche Rückgänge bei Besuchern und Umsatz hinnehmen mussten. Hat das ihren Entschluss eher behindert oder verstärkt?
Wir sind der festen Überzeugung, dass man einer Branchenentwicklung, wie wir sie gerade erleben, aktiv entgegentreten und Dinge verändern muss. Die schwachen Ergebnisse der vergangenen Jahre haben uns definitiv darin bestärkt, noch mehr in unsere Standorte zu investieren und mehr denn je nach Möglichkeiten zu suchen, unsere Gäste für das Kino zu begeistern und Anreize zu schaffen, ins Kino zu gehen.
Zum Eröffnungstermin des Dolby Cinema lag der deutsche Markt wieder um gut zehn Prozent im Plus gegenüber dem Vorjahr. Ein Aufschwung, der sich im Gesamtjahr fortsetzen kann?
Ich halte ein Besucherplus von zehn Prozent und damit ein Gesamtergebnis von gut 115 Mio. Besuchern für realistisch.
Unterdessen vergeht keine Woche, ohne dass das Wort »Kinosterben« in der Presse auftaucht, obwohl der Bestand seit Jahren wächst. Bisweilen könnte man den Eindruck gewinnen, Kino habe ein PR-Problem…
Es ist in der Tat paradox, dass seit Jahren von einem Kinosterben berichtet wird und im selben Zeitraum der Kinobestand kontinuierlich gestiegen ist. Dennoch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Kino in Deutschland in einer durchaus als existenziell zu bezeichnenden Krise befindet. Wenn sich das Marktniveau nicht nachhaltig steigert, wird dies definitiv Auswirkungen auf den Kinobestand in Deutschland haben. Insofern ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam die Stärken und die Faszination, die das Kino unverändert auszeichnen, mehr in den Vordergrund und das Bewusstsein rücken. Beim Thema Außendarstellung haben wir aber als Branche durchaus noch Luft nach oben.
Welche Rolle spielen Investitionen, wie jene in das Dolby Cinema dabei, Kino wieder in die positiven Schlagzeilen zu holen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Kino auch in der öffentlichen Wahrnehmung wieder strahlen zu lassen. Neben außergewöhnlichen Filmen sind es natürlich auch neue Konzepte und Innovationen, über die in den Medien gerne berichtet wird. Insofern waren wir auch nicht überrascht, dass das mediale Interesse zur Eröffnung des Dolby Cinema immens war. Die sich damit bietende Gelegenheit haben wir gerne genutzt, um Werbung für unseren neuen Saal, aber vor allem auch für das Kino an sich zu machen.
Hochwertige Angebote werden vom Gast honoriert.
Mittlerweile buhlen unzählige Premium- oder PLF-Formate um die Gunst der Zuschauer und Investoren. Weshalb fiel die Wahl gerade auf Dolby Cinema – und welche Rolle spielten dabei die Erfahrungen mit dem Atmos-Saal (m)K6?
Die ausgesprochen positive Resonanz und der Erfolg des (m)K6 haben uns zunächst einmal darin bestärkt, erneut Geld in die Hand zu nehmen und neue Wege zu bestreiten, da wir gesehen haben, dass qualitativ hochwertige Angebote vom Gast honoriert werden – auch dann, wenn Sie ihn ein bisschen mehr kosten. Natürlich haben wir uns mit verschiedenen PLF-Optionen beschäftigt. Was dann aber letztlich den Ausschlag für Dolby Cinema gegeben hat, waren vor allem die Konsequenz und Einzigartigkeit des Konzeptes. Der Gedanke, den Kinobesuch bereits beim Betreten des Saals im sogenannten »Audiovisual Pathway« (AVP) beginnen zu lassen und dann im Saal alles und wirklich alles auf ein perfektes Filmerlebnis auszurichten, hat uns begeistert und überzeugt. Der Atmos-Sound auf Studio-Niveau und das wahnsinnig helle, farbintensive und kontrastreiche Bild sind einfach grandios und absolut einzigartig. Als ich die ersten Trailer im Dolby Cinema erleben durfte, ist mir schlicht das Herz aufgegangen. Es mag sich abgedroschen anhören, aber ich hatte wirklich mehr denn je das Gefühl, den Film nicht nur zu hören und zu sehen, sondern wirklich zu erleben und ein Teil von ihm zu werden.
Macht es Sie stolz, in Deutschland beim Thema Dolby Cinema als Pionier voranzugehen – und das mit einem Familienunternehmen?
Stolz ist vielleicht der falsche Begriff. Es macht mich aber glücklich, die Möglichkeit zu haben, solche Ideen umsetzen zu können und ein Team zu haben, das von Anfang an mit absoluter Begeisterung und Überzeugung dieses Projekt mit vorangetrieben hat und es am Ende kaum erwarten konnte, bis das Kino endlich der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Der Mathäser war natürlich ein Glücksfall für uns.
Was machte den Mathäser generell und speziell Saal 1 zum idealen Kandidaten für das Dolby Cinema?
Für ein solches Konzept benötigt man zum einen ein entsprechendes Besucherpotenzial und zum anderen nach Möglichkeit eine größere Anzahl an Sälen, um den Gästen die Wahl lassen zu können, ob sie einen Film in einem regulären Kinosaal oder im Dolby Cinema sehen möchten. Beides war im Mathäser gegeben. Nachdem wir uns für dieses Haus entschieden hatten, war uns schnell klar, dass wir nicht nur den Kinosaal entsprechend der Vorgaben von Dolby umbauen wollen, sondern ein Gesamterlebnis bieten möchten, das über den Standard weit hinausgeht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass wir einen besonders langen AVP gebaut haben sowie einen eigenen Foyer- und Aufenthaltsbereich, der das Erlebnis im Saal ergänzt und komplettiert. In all seiner Konsequenz war dies nur in Saal 1 möglich, der erfreulicherweise nicht nur die passende Größe, sondern auch die erforderliche Saalgeometrie aufwies.
Welche Maßnahmen umfasste der Umbau – und wen haben Sie damit betraut?
Wir haben zunächst eine ehemalige gastronomische Fläche neben dem Kinosaal zum neuen Foyer des Dolby Cinema umfunktioniert und dort vom Boden über die Einrichtung bis zur Decke alles neu gestaltet. In einen Teil des Foyers wurde dann der Zugang zum Dolby Cinema – der AVP – eingebaut. Damit wurden jedoch ein neuer Kinoeingang und ein Durchbruch in einer statisch relevanten Wand erforderlich. Den Kinosaal an sich haben wir entkernt, die Auframpung angepasst, Böden, Wände und Decken neu gemacht, neue Stühle, Lautsprecher und eine neue Leinwand installiert und natürlich den Projektionsraum mit dem Herzstück des Dolby Cinema, der neuen Sound- und Projektionstechnik, ausgestattet. Mit der Umsetzung dieses sehr anspruchsvollen Umbaus haben wir das Architekturbüro Batisweiler beauftragt, mit dem wir bereits bei der Neugestaltung des Gloria Palasts sehr gute Erfahrungen gemacht haben und das auch dieses Mal wieder einen tollen Job gemacht hat. Auch aus unserer Verwaltung und dem Mathäser waren zahlreiche Personen beteiligt, allen voran Jan Harmsen, der das Projekt bei uns in hervorragender Weise intern gesteuert hat.
Die Einzigartigkeit des Konzepts gab den Ausschlag.
Mit diesem Premiumangebot positionieren Sie sich in einem Umfeld, das zuletzt auch von Niedrigpreisstrategien geprägt war. Warum denken Sie, ist Ihr Weg der richtige?
Damit sich das Kino in Zukunft behaupten kann, muss es ein besonderer Ort sein, der etwas bietet, was nirgendwo sonst zu bekommen ist. Solange die Leistung stimmt, wird ein dafür angemessener Preis nie das Thema sein. Diese Erfahrung haben wir nicht zuletzt im Gloria Palast gemacht: Obwohl es unser mit Abstand hochpreisigstes Kino ist, gibt es dort nie Diskussionen oder gar Beschwerden über einen zu hohen Preis. Wenn hingegen das Angebot nicht überzeugt, wird langfristig kein Besucher mehr kommen, nur weil er zwei oder drei Euro spart.
Letztlich geht es aber auch darum, eine gewisse Bandbreite abzudecken?
Ja, natürlich. Die Erwartungen an einen Kinobesuch sind situativ sehr unterschiedlich. Während der Gast bei dem einem Besuch besonders viel Wert auf viel Komfort und persönlichen Service am Platz legt, erwartet er beim nächsten Kinobesuch nicht weniger, als den Film in absolut perfekter Sound- und Bildqualität zu erleben.
Ab 2020 soll ein Förderprogramm der Bundesregierung Kinos auch jenseits kleiner Orte Investitionen erleichtern. Wäre es denn abwegig, diese Unterstützung auch für ein großes Mainstream-Haus einzufordern?
Wenn es darum geht, den Standort Kino zu erhalten und zu stärken, darf diese Zielsetzung weder von der Orts-, noch von der Kinogröße, noch von den dort gespielten Filmen abhängig sein. Letztlich geht es doch um die Kinobesucher, denen dank der Förderung ein besseres Kinoerlebnis ermöglicht werden soll. Wenn dies nur Kinobesuchern in kleineren Orten oder mit einem bestimmten Kino- oder Filmgeschmack vorbehalten werden sollte, wäre das für mich nicht nachvollziehbar. Förderwürdigkeit und –bedarf haben für mich nichts mit der Größe eines Kinos zu tun.
Das Dolby Cinema hat Kinopolis unterdessen zum Anlass genommen, ein ökologisches Zeichen zu setzen?
Da auch das Thema Nachhaltigkeit für uns immer wichtiger wird, haben wir im Dolby Cinema erstmals ein Mehrwegsystem für Getränkebecher eingeführt und setzen dort Popcorntüten aus Recyclingmaterial ein.
Haben Sie schon Ideen für weitere Innovationen – und dürfen womöglich auch andere Kinopolis-Standorte auf ein Dolby Cinema hoffen?
Wir werden in diesem Jahr weitere Standorte mit D-Box ausrüsten und voraussichtlich neun weitere Säle mit Dolby Atmos ausstatten. Weiterhin wird es auch im Bestuhlungsbereich Veränderungen geben. Eine konkrete Planung für ein zweites Dolby Cinema gibt es aktuell noch nicht. Wenn sich unsere Erwartungen erfüllen, werden wir uns aber sicherlich schon bald damit beschäftigen.
Quelle: BLICKPUNKT:FILM – SPEZIAL | Dolby Cinema im Mathäser |Juni 2019
Verlag: Blickpunkt:Film GmbH
Redakteur: Marc Mensch
Fotos: Holger Rauner, Andreas Büttner